Windenergieanlagen

19.12.2023

7 C 4.22

Zulässigkeit nachträglicher Beschränkungen des Betriebs von Windenergieanlagen

1. § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ermächtigt nur zu nachträglichen Anordnungen zur Erfüllung von Pflichten, die sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergeben. Die nachträgliche Durchsetzung anderer öffentlich-rechtlicher Pflichten richtet sich nach dem jeweils einschlägigen Fachrecht (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2008 – 7 C 48.07 – BVerwGE 132, 224 Rn. 28 f.).

2. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen steht der Heranziehung von § 3 Abs. 2 BNatSchG als Rechtsgrundlage für nachträgliche Anordnungen zur Durchsetzung naturschutzrechtlicher Verbote nicht generell entgegen.

3. Die Befugnis der Naturschutzbehörde zum Erlass nachträglicher Anordnungen nach § 3 Abs. 2 BNatSchG findet bei immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlagen ihre Grenzen in der Gestattungs- und Feststellungswirkung der Genehmigung und den Vorschriften über deren Aufhebung. Nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage werden von der Feststellungswirkung der Genehmigung nicht umfasst (im Anschluss an BVerwG, Urteile vom 23. Oktober 2008 – 7 C 48.07 – BVerwGE 132, 224 und vom 30. April 2009 – 7 C 14.08 – NVwZ 2009, 1441 Rn. 22).

4. Bei der Bestimmung dynamischer Betreiberpflichten – hier aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG – sind neue Erkenntnisse über die Auswirkungen einer Anlage stets zu berücksichtigen. Neue Tatsachen können sich daraus ergeben, dass die Auswirkungen des Betriebs einer Anlage nicht mehr nur – wie bei der Erteilung der Genehmigung – prognostisch ermittelt und folglich abgeschätzt, sondern nach Errichtung und Inbetriebnahme auf der Grundlage empirischer Nachweise verlässlicher bestimmt werden können (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 29. April 2021 – 4 C 2.19 – BVerwGE 172, 271 Rn. 33).

5. Nutzungsmöglichkeiten, die Anlagen an anderen Standorten bieten, sind schon tatbestandlich keine Alternativen (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG) zur Nutzung bestehender Anlagen, die mit nachträglichen Betriebsbeschränkungen belegt werden. Zwischen solchen Anlagen besteht kein Alternativ-, sondern ein Ergänzungsverhältnis.

BNatSchG § 3 Abs. 2, § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 7, § 45b Abs. 8

BImSchG § 17 Abs. 1 Satz 1, § 21

VwVfG § 48