Mit diesem Artikel beginnen die Rechtsanwälte Dr. Jacobi und Kollegen eine zweite Serie zum Thema Familienrecht. Den Anlass dazu geben zahlreiche aktuelle und künftige Änderungen in diesem Rechtsgebiet. Hier geht es wieder um die häufigen Probleme mit Unterhaltsansprüchen von Kindern nach Scheidungen.
Geänderte gesellschaftliche Verhältnisse und „Wertewandel“ haben die Änderung des Unterhaltsrechts notwendig gemacht. Es gibt steigende Scheidungszahlen, Zweitfamilien mit Kindern beider Ehegatten aus der ersten Ehe, Kinder, deren Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben oder allein erziehend sind, und immer mehr Familien, in denen Vater und Mutter berufstätig sind. All dies führt dazu, dass das Unterhaltsrecht in der geltenden Fassung den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht wird. Die unmittelbar bevorstehende Änderung des Unterhaltsrechts hat als vorrangiges Ziel die Förderung des Kindeswohls, das durch die bevorzugte Stellung des Kindes in der Unterhaltsreihenfolge erreicht werden soll.
Nach aktueller Rechtslage teilt sich das unterhaltsberechtigte minderjährige Kind den „ersten Rang“ mit dem geschiedenen und dem neuen Ehegatten. Die künftige Rangfolge wird konsequent auf die minderjährigen Kinder ausgerichtet sein und dem Kindesunterhalt Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen einräumen. Das nachfolgende Beispiel verdeutlicht die Unterschiede:
Eine Ehe wird nach 20 Jahren geschieden. Die geschiedene Ehefrau findet keinen Arbeitsplatz. Die beiden Kinder sind noch in der Ausbildung. Der Mann hat mit der neuen Ehefrau zwei minderjährige Kinder.
Aktuell sind die Kinder aus beiden Ehen und die Ehegatten im Unterhaltsrecht gleichberechtigt. Künftig werden zunächst die Unterhaltsansprüche aller Kinder erfüllt. Dem Mann bleibt der so genannte „Selbstbehalt“. Falls nach Abzug des Kindesunterhalts noch Einkommen zur Verfügung steht, teilen sich die erste Ehefrau (wegen der langen Ehe) und die zweite Ehefrau (wegen der Kinderbetreuung) das Geld.
Hätte die erste Ehe nur wenige Jahre gehalten und wäre kinderlos geblieben, würden die Kinder aus der zweiten Ehe und die neue Ehefrau im Rang vor der ersten Ehefrau stehen. Erst wenn nach dem Unterhalt für die neue Familie noch etwas übrig bliebe, erhielte auch die geschiedene Frau noch Unterhalt. Aus dieser Rangfolge geht die klare Betonung des Kindeswohls und die Bedeutung der nachehelichen Solidarität, die aus der langen Ehedauer resultiert, hervor.
Diejenigen Unterhaltsberechtigten, die aufgrund des zur Verfügung stehenden Einkommens keinen bedarfsdeckenden Unterhalt bekommen, haben einen – ergänzenden – Anspruch auf Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII, Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem Sozialgesetzbuch II.