In der Serie „Familienrecht“ beleuchtet Rechtsanwalt Christian Jacobi freitags in 14-tägigem Rhythmus Fragen aus dem Alltag des Familienrechts. In dieser Folge geht es um die Frage, wie sich der Familienrichter zu unterschiedlichen Meinungen der Partner stellt. Dabei wird insbesondere das Sorgerecht der Eheleute behandelt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Sorgerecht nichtehelicher Lebensgemeinschaften darf damit nicht verwechselt werden.
Wenn eine Ehe gescheitert ist, versuchen die Betroffenen gewöhnlich noch zu retten, was zu retten ist. Häufig benötigen sie dazu den Familienrichter. Dieser teilt jedoch – zu deren Leid-wesen – Nicht immer die Vorstellung der einzelnen Beteiligten. Deshalb wird in diesem Bei-trag versucht, die Perspektive des Richters zu verdeutlichen, um sich vielleicht besser in dessen rolle versetzen zu können.
Hier ein Beispiel: Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau sind der Überzeugung, dass ihre Ehe gescheitert ist. Im Trennungsjahr müssen sie erleben, dass sie sich immer häufiger über die Erziehung der Kinder streiten und auch das Besuchsrecht des Ehemanns, der die Kinder nach seinen Vorstellungen sehen will, immer häufiger zu Streit führt.
Die Gesetzgeber – im Bewusstsein der Scheidungsproblematik – hat hier auf die Forderung nach einer ,,guten“ Regelung verzichtet. Er verlangt an dieser Stelle nur die ,,bestmögliche“ Regelung der elterlichen Sorge, die letztlich im Interesse der Kinder ist. Denn das, was sich ein Kind wünscht und braucht: das Zusammenleben von Vater und Mutter in einer heilen Familie, gibt es nicht mehr. Nach all dem, was im Einzelfall geschehen ist, muss versucht werden, die häufig Enttäuschten so zu nehmen, wie sie sind: verletzt und empfindlich, dabei oft verletzend oder auch hasserfüllt.
Einem Antrag auf alleinige Sorge ist schon dann stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt. Das ist die gesetzliche Regel. Es gibt aber die Ausnahme, dass trotz Zustimmung dem Antrag nicht stattzugeben ist, wenn das bereits 14 Jahre alte Kind widerspricht. Die zweite Ausnahme ist, dass die geplante einvernehmliche Regelung das Kindeswohl massiv gefährdet.
Wenn Eltern im Streit sind, stimmt einem vielleicht durchaus sinnvollen Antrag auf alleinige Sorge des eine Elternteils der andere oft nicht zu. Der Familienrichter kann aber dann das Sorgerecht auf den Antragsteller übertragen, wenn das nach seiner Überzeugung dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Kann das Familiengericht dies nicht feststellen, lehnt es den Antrag ab. Die gesetzliche Re-gel ist der Fortbestand der gemeinsamen Sorge, die Übertragung der alleinigen Sorge der unerwünschte Ausnahmezustand. Seinen Vorteil muss derjenige beweisen, der das Sorge-recht für sich beantragt. Denn das Gericht muss davon überzeugt sein, dass das angestrebte alleinige Sorgerecht dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Der Richter muss nicht feststellen, dass die gemeinsame Sorge oder die alleinige Sorge des anderen Elternteils die bessere Lösung ist. Der Antrag scheitert schon dann, wenn er vom Gericht nicht als die bes-te, sondern nur als einer unter mehreren Lösungen betrachtet wird. So sieht es zumindest das Gesetz vor.
In der Praxis lässt die Rechtsprechung allerdings die gemeinsame Sorge meist nur bestehen, wenn beide Eltern als fähig und willens erachtet werden, ihre Elternaufgabe weiterhin zu erfüllen.