Familienrecht VI: Neue Familie ist genug

Die Rechtsanwälte Dr. Jacobi und Kollegen beleuchten in dieser Serie aktuelle und künftige Änderungen im Familienrecht. Hier geht es darum, ob und wie sich die Übernahme neuer Verpflichtungen in einer neuen Partnerschaft auf bestehende Unterhaltsverpflichtungen auswirkt.

Die Rechtssprechungs-Praxis kämpft – zu Recht – mit allen Mitteln darum, den Kindesunterhalt weitestgehend direkt durch Zahlung der unterhaltspflichtigen Eltern sicherzustellen und dafür keine staatliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Dennoch sind die Fälle ungezählt, in denen der Sozialhilfeträger Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erbringt, weil das eigene Einkommen der unterhaltspflichtigen Eltern nicht ausreicht oder gerade ihren eigenen Unterhaltsbedarf deckt.

Der Bundesgerichtshof hat jüngst entschieden (1), dass das Erziehungsgeld, das der Unterhaltspflichtige bezieht, auch bei der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nicht berücksichtigt werden muss. Denn er könnte selbst wieder sozialhilfebedürftig werden, wenn er wegen des Erziehungsgeldes wieder für „leistungsfähiger“ hinsichtlich seiner Unterhaltsverpflichtung gehalten würde.
Ein Fall illustriert solche Zusammenhänge: Das Jugendamt verlangte von einer unterhaltspflichtigen Mutter Unterhalt für zwei minderjährige Kinder, die aber bei ihrem Vater lebten. Nach der Trennung erhielt die Mutter zunächst Arbeitslosengeld. Sie heiratete dann erneut und widmete sich seit der Geburt eines weiteren Kindes ganz der Kindererziehung und der Haushaltsführung in der neuen Ehe. Der zweite Ehemann erzielt Einkommen, ist aber auch einem anderen Kind aus erster Ehe zum Unterhalt verpflichtet.
Jetzt ging es für die Mutter darum, ob sie aufgrund der neuen Situation, in der sie nicht arbeitet und kein Einkommen erzielt, deshalb nicht mehr zum Unterhalt ihrer Kinder aus erster Ehe verpflichtet ist. Der Bundesgerichtshof hat dies bestätigt und in diesem Fall die Unterhaltsverpflichtung der Mutter mangels Leistungsfähigkeit verneint. Ab ihrer Wiederheirat sei der Kindesmutter aufgrund der neuen Rollenverteilung – sie führt den Haushalt, der Ehemann erzielt die Einkünfte – kein fiktives Einkommen mehr anzurechnen.
In dieser Situation sei der Unterhaltspflichtigen eine Nebenerwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar, auch im Hinblick auf die gesteigerte Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern.
Andererseits müssen die Kinder aus erster Ehe eine Änderung der Rollenverteilung (Wechsel von der Erwerbstätigkeit in die Hausfrauen- bzw. Hausmann-Tätigkeit) nur dann hinnehmen, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen zusammen mit seiner neuen Familie an dieser Aufgabenverteilung deutlich das Interesse der Kinder an der Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung überwiegt.

INFO:
(1) 12 ZR 31/04 vom 12. 4. 2006.