Verwirkung des Widerspruchsrechtes gegen die Baugenehmigung des Nachbarn
Ein Bauherr beantragte bei der zuständigen Gemeinde die Erteilung einer Baugenehmigung
zwecks Errichtung einer Sporthalle in Form einer Multifunktionshalle. Die Baugenehmigung
wurde am 08.10.1995 erteilt. Sie wurde nur gegenüber dem Bauherrn bekannt gegeben. Der
Bauherr begann im Herbst 1995 mit den Bauarbeiten. Diese waren infolge der großen
Baufortschritte spätestens Ende 1995 deutlich erkennbar. Der Grundstücksnachbar legte
gegen die Baugenehmigung am 27.03.1998 Widerspruch ein. Dieser wurde als unzulässig
zurückgewiesen, weil er verfristet erhoben worden sei. Hiergegen legte der
Grundstücksnachbar Klage ein und verlangte die Aufhebung der Baugenehmigung. Das
Verwaltungsgericht Cottbus wies die Klage ab. Hiergegen legte der Nachbar Berufung ein.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies die Berufung des
Grundstücksnachbarn zurück. Sie sei unbegründet, weil der Widerspruch infolge Verwirkung
verfristet erhoben worden sei. Das verfahrensmäßige Recht zur Einlegung eines
Widerspruches könne nicht nur durch einen Fristablauf nach den Vorschriften der §§ 58, 70
VwGO, sondern auch durch Verwirkung verloren gehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974
IV C 2.72 BVerwGE 44,294). Sofern ein Nachbar von der Erteilung der
Baubegenehmigung auf andere Weise zuverlässig Kenntnis erhalten oder hätte erlangen
müssen, so müsse er sich generell so behandeln lassen, als sei sie ihm zu diesem Zeitpunkt
amtlich bekannt gemacht worden. Von diesem Zeitpunkt richte sich die Widerspruchsfrist
grundsätzlich nach §§ 70 Abs. 1, 58 Abs. 2 VwGO. Im vorliegenden Fall hätte der Nachbar
sich aufgrund der deutlich wahrnehmbaren Bauarbeiten spätestens Ende 1995 darüber im
Klaren sein müssen, dass dem Bauherrn eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Er hätte
sich dann nach der Erteilung einer Baugenehmigung erkundigen und spätestens binnen der
Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch einlegen müssen. Aufgrund der Umstände
des Einzelfall spräche sogar vieles dafür, dass die Verwirkung bereits innerhalb eines halbes
Jahres eingetreten sei. Der Bauherr habe aufgrund der hohen Baukosten ein berechtigtes
Interesse daran gehabt, möglichst schnell von möglichen Angriffen gegen das Bauvorhaben
zu erfahren.
OVG Berlin-Brandenburg vom 20.12.2005, 10 B 10.05