Baurecht VIII: Gefährlicher Schwung

Eine Erbin möchte das Haus ihrer Eltern renovieren, lässt mit einem kleinen Vermögen im Hintergrund den Handwerker kommen, um diese und jene Arbeit zu erledigen. Da die Fliesenarbeiten ganz zur Zufriedenheit ausfallen, lässt die frisch gebackene Eigentümerin den Handwerker dann die schönen Fliesen auch noch in weiteren Räumen verlegen. Der Handwerker führt alle Arbeiten pflichtbewusst aus und stellt am Schluss die entsprechende Rechnung. Jetzt fällt die Bauherrin aus allen Wolken: Sie hatte nur das ursprüngliche Angebot im Kopf und irgendwie nicht daran gedacht, dass es so teuer werden würde.
Hätte der Handwerker bei einer solchen ausdrücklichen Arbeitsanweisung, die zu einer Mengenmehrung führt, einen Hinweis darauf geben müssen? Dies wird von der Rechtsprechung verneint (1).
Um sich vor entsprechenden Überraschungen zu schützen, nehmen öffentliche Auftraggeber in ihre Verträge regelmäßig eine Hinweispflicht des Auftragnehmers auf, falls es zu Mengenmehrungen kommen sollte. Sicherlich ist dort aber seltener mit so impulsiven Entscheidungen zu rechnen.
In dem Fall, dass es beim ursprünglichen Auftrag bleibt – sich beispielsweise aufgrund anderer Beschaffenheit des Untergrundes lediglich die veranschlagten Mengen als zu gering herausstellen – bleiben die Parteien beim BGB-Vertrag grundsätzlich an die vereinbarten Einheitspreise gebunden. Eine Preisanpassung kommt nur nach den so genannten Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht (2), mittlerweile in § 313 BGB geregelt. Die Definition dessen, was die „Geschäftsgrundlage“ bei Vertragsabschluss darstellt, ist dabei nicht einfach. Man versteht darunter eine gemeinsame Vorstellung der beiden Geschäftspartner über die wesentlichen Hintergründe. Sie muss nicht ausdrücklich als Vertragsbestandteil genannt werden; sie gilt auch, wenn sie von einem Partner nicht beanstandet wird, obwohl sie für ihn erkennbar war. Soweit vereinfacht die in Wirklichkeit sehr umfangreiche gesetzliche Definition.
Wenn sich die Umstände nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändern, muss folgende Frage geklärt werden: Wäre der Vertrag – wenn dies schon zu Beginn bekannt gewesen wären – so gar nicht abgeschlossen worden? Dann kann der jetzt benachteiligte Vertragspartner – im zitierten Fall der Handwerker – eine Anpassung verlangen, wenn das Festhalten am ursprünglichen Vertrag für ihn nicht mehr zumutbar ist.
Wenn das Gleichgewicht zwischen den Vertragspflichten der Parteien tatsächlich gestört ist, können durchaus einzelne Kalkulationselemente in Betracht genommen werden (3). Allerdings sind die Anforderungen hoch: Es muss eine massive Störung vorliegen, die nicht nur die einzelne Position betrifft, sondern sich auf den Vertrag in seiner Gesamtheit auswirkt (4).

INFO:
(1) OLG Jena, Urteil vom 28.05.2003, BauR 2005, 1066;
(2) BGH BauR 1993, 723;
(3) BGH Urteil vom 08.07.1993, NJW 1993, 2738;
(4) OLG Düsseldorf BauR 1996, 267.

Autor Christian Jacobi ist
Fachanwalt für Bau- und
Architektenrecht in Eberbach.