Familienrecht XVII: BGH bremst Sozialamt

Mit steigender Lebenserwartung stellt sich die Frage nach der Finanzierung der Pflege alter Menschen immer dringender. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies in einem beispielhaften Fall die Ansprüche des Sozialamtes gegen den Sohn einer Pflegebedürftigen aber in ihrer Höhe deutlich zurück.
Verwandte in gerader Linie, also Kinder, Eltern, Großeltern usw. sind wechselseitig verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. So kann eine pflegebedürftige Mutter, die die Pflegeheim-Kosten nicht vollständig aus der Rente und den Leistungen der Pflegeversicherung bestreiten kann, also ihre erwachsenen Kinder auf Unterhaltszahlung in Anspruch nehmen.
Wenn die Mutter mit Rücksicht auf die familiären Bindungen dies nicht tut, sich stattdessen an das Sozialamt wendet und dieses sogar zahlt, sind die Kinder aber noch nicht aus dem Schneider. Denn das Sozialamt kann sich grundsätzlich bei ihnen schadlos halten.
Das Gesetz legt die Höhe des geschuldeten Unterhalts nicht fest, verwendet abstrakte Begriffe wie Bedarf, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit. In der Praxis werden die Beträge inzwischen beispielsweise den Süddeutschen Leitlinien oder der Düsseldorfer Tabelle entnommen. Dabei liegt der so genannte Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Kindes in seinem Verhältnis zu den Eltern bei 1400 Euro.
Wenn das Sozialamt nun meint, dass das Kind über einzusetzendes Vermögen verfügt, kann es aus dem auf das Amt übergegangenen Recht Ansprüche geltend machen. In einem beispielhaften Fall war es der Meinung, dass ein Sohn sein angespartes Vermögen von rund 113000 Euro für den Unterhalt seiner pflegebedürftigen Mutter einsetzen müsse. Der ledige und kinderlose Sohn wollte aber damit eine angemessene Eigentumswohnung erwerben und für die weiten Fahrten zu seinem Arbeitsplatz sein zehn Jahre altes Fahrzeug ersetzen.
Zunächst gab das Amtsgericht dem Sozialamt Recht. Aber das Oberlandesgericht München vertrat die Auffassung, dass dieses Vermögen nicht eingesetzt werden müsse, und die daraufhin eingelegte Revision des Sozialamtes wurde zurückgewiesen.
Der BGH vertritt zwar die Auffassung, dass ein Unterhaltspflichtiger grundsätzlich auch den Stamm seines Vermögens zum Verwandten-Unterhalt einsetzen muss, § 1603 Abs. 1 BGB. Aber eingeschränkt wird dies dadurch, dass auch sonstige Verpflichtungen zu berücksichtigen sind und der eigene angemessene Unterhalt nicht gefährdet werden muss. Angespartes Vermögen muss deshalb nicht verwertet werden, wenn dies den Unterhaltspflichtigen von fortlaufenden Einkünften abschneiden würde oder die Verwertung einen wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil bedeutete. Auch die Verwertung eines angemessenen, selbstgenutzten Immobilienbesitzes kann regelmäßig nicht verlangt werden.
Der BGH entschied, dass dem Unterhaltspflichtigen auch ein weiteres Vermögen zu belassen ist, das er für eine angemessene eigene Altersvorsorge vorgesehen hat. Dabei steht die Art der Vermögensanlage für die Altersvorsorge jedem frei.
So können neben den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zu 5 Prozent des Bruttoeinkommens als zusätzliche Altersversorgung aufgewendet werden. Und es sei nur konsequent, auch ein Vermögen in der Höhe zu belassen, wie es damit im Laufe eines Erwerbslebens hätte angespart werden können. Diesen Betrag hat der BGH im genannten Fall mit 100000 Euro bemessen.

INFO:
BGH v. 30. 8. 2006, AZ: XII ZR 98/04